Zur Goldenen Birn | Graz

Koks als Zwischengang und anderes Theater am Teller wird seit Donnerstag in der goldenen Birn, ihres Zeichens neue Haubenanwärterin in Graz, kredenzt.

Der neueste Streich des umtriebigen Hoteliers Philipp Florian führt uns in die Vergangenheit der Kronländer Österreichs. Längst vergessene Gerichte, traditionell österreichisches oder von der Menükarte des Kaisers gestrichene Gerichte finden unter dem kreativen Kochlöffel von Alexander Posch zu neuer Interpretation.

Wie auch die Geschichten zu jedem Gericht hat auch der Name und die Lokalität einen sinnstiftenden Hintergrund. Im Jahr 1574 wurde das heutige Parkhotel erstmals erwähnt, dort wo jetzt das schicke Hotel thront, war damals das Gasthaus zur goldenen Birn. 450 Jahre später kann man also an diesem historischen Ort wieder speisen.

Wir haben das neue Lokal, das in einem abgetrennten Bereich des Restaurants Florian seine Heimat gefunden hat, vor der Eröffnung unter die Lupe genommen.

Die Räumlichkeiten sind nicht neu, aber spätestens seit einigen Deko-TV-Formaten wissen wir, was Wandfarbe, Leuchten und Stühle ausmachen können – und nicht auf die Tische zu vergessen, die verbergen nämlich ein nicht unwichtiges Geheimnis. Denn schon im ersten Augenblick fällt auf, dass die Tische nicht klassisch eingedeckt sind. Kein Besteck, keine Weingläser – nur ordentlich gefaltete Servietten und Wassergläser sind hier zu finden.

Für die ersten beiden Leckereien, eine Gulasch-Variation und Sauerteigbrot stellt das auch erstmal kein Problem dar.

Bei Nummer 3 der spanischen Suppe „Olla Podrida“ wird dann das Geheimnis der Tische gelüftet. Jedem Gast steht nämlich eine eigene und sehr gut gefüllte Bestecklade zur Verfügung.

Vom nächsten Gang, die „Hommage an den Zarenbesuch 1873“ hätte es für mich durchaus mehr sein dürfen. Die Haferschleimsuppe im flachen Teller mit Butternockerl und Kaviar aus schwarzem Knoblauch stellt aber wieder eine Besteck-Herausforderung dar.

Wir hatten nun Freude am Umgang mit dem Gourmet Löffel gefunden, der auch beim Signature Dish „Goldene Birn“ zum Einsatz kommt. Gänselber (ungestopft) gepaart mit Birne und Meereskrebs. Top!

Damit das Schauspiel nicht ausschließlich am Teller stattfindet und den Gästen auch die Geschichten der Gerichte nähergebracht werden, dient die goldene Birne am Tisch nicht nur als Deko, sondern auch als praktischer Kartenhalter für die „Visitenkarten“ jedes Gerichts.

Genauso eine Geschichte erzählt auch das „Blanc Manger“, das sogenannte weiße Gericht, das im Mittelalter besonders in der Oberschicht Zuspruch fand. Zuspruch gibt’s auch von mir, top gegarter Wolfsbarsch unter einer feinen Haube aus Karfiol mit Joghurt.

Eines meiner persönlichen Lieblingsgerichte dieses Abends war ganz klar die „Haldersau“ mit Dotter, Sellerie und Brennnessel. Die Geschichte dazu handelt vom Juwelier Franz Halder, der einen nicht sehr treffsicheren Kaiser bei seinen Jagden unterstütze.

Nun kommen wir endlich zum einleitend erwähnten Koks, in diesem Fall sogar zu „Sisis Koks“. Das ist nicht etwa eine Erfindung oder gar Unterstellung, nein. Sisi war dafür bekannt, dass sie für ihre Rheumaschmerzen gerne mal zu Kokain griff. Dies war im 19. Jahrhundert nämlich als Medizin völlig legal. Alexander Posch hat ihre Koks-Dose mit köstlicher kalter Zitrone und Buttermilch gefüllt.

Manchmal wird wohl auch etwas von Menükarten entfernt, schade wie wir finden, denn das „Gestrichene Gericht“, das dem Kaiser offenbar missfiel, war ein weiteres Lieblingsgericht des Abends. Rosa Ente mit Marille und Thymian!

Bevor wir uns nun auf das Dessert freuen, freut uns noch „Polenta Conzo“, eine Zubereitung mit Käse, Zwiebeljus und Molke. Zum Reinsetzten!

Im „Schlossgarten“ dürfen wir nun dahinschmelzen, so wie das Estragon-Eis mit Rhabarber, weißer Schokolade und Knochenmark-Mousse!

Weil wir Österreicher ja immer etwas sensationslustig waren und sind, gabs 1828 einen regelrechten Hype. Der Grund, die erste lebende Giraffe, war im Tiergarten Schönbrunn zu bestaunen. Deshalb musste zur Feier des Tages eben auch eine Giraffentorte her. Et Voila!

Und weil das Ende meist nicht das Ende ist, schon gar nicht bei Alexander Posch, kredenzt er nebst Reispudding, Brownie und Almtee auch noch hausgemachte Pralinen vom Wagen.

Good to know

Das Restaurant hat von Donnerstag bis Samstag ab 18 Uhr geöffnet. In dieser Zeit gibt es 5 „Startzeiten“ für jeweils maximal 6 Personen. Das Menü kostet € 170,- und die Weinbegleitung € 80,- pro Person.

Wir hatten unsere erste Speise um 18:40 und die letzte um 23:40 Uhr – ein wenig Zeit und keinen Stress wäre also ratsam, um diesen wunderschönen Abend auch gebührend zelebrieren zu können.

Fazit

Wir hatten einen grandiosen Abend, die lukullischen Genüsse wurden perfekt von Sommelier Oliver Petritz (zuletzt bei Hubert Wallner) begleitet. Besondere Freude haben uns einerseits die Geschichten, aber auch die Erklärung der Interpretation des jeweiligen Gerichtes gemacht.

Nach anfänglicher Unsicherheit bezüglich der Besteck(selbst)wahl fanden wir – auch mit den anderen Gästen – Gefallen daran, uns für das nächste Gericht zu präparieren. By the way, der Gourmet Löffel hat sich als meistbenutztes „Werkzeug“ klar durchgesetzt.

Ich bin schon sehr gespannt, wann Gault Millau, Falstaff und Co. hier auf der Matte stehen! Toi, toi, toi!

 

Eckdaten
Adresse Zur goldenen Birn
(im Parkhotel)
Leonhardstraße 8
8010 Graz
Website www.zurgoldenenbirn.at
Reservierung zurgoldenenbirn@parkhotel-graz.at
+43-664-4274914

 

Öffnungszeiten
Montag geschlossen
Dienstag geschlossen
Mittwoch geschlossen
Donnerstag ab 18 Uhr
Freitag ab 18 Uhr
Samstag ab 18 Uhr
Sonntag geschlossen

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